1. Wie wirkt Glyphosat auf Pflanzen, Nutztiere und Menschen?
2. Von wem wird Glyphosatam häufigsten eingesetzt?
3. Wieviel Glyphosat verwendet die Schweizer Landwirtschaft?
4. Wo setzt die Schweizer Landwirtschaft Glyphosat ein?
5. Wieso kann Glyphosat ökologischer sein als Pflügen?
6. Warum nutzen Schweizer Bauern ausgerechnet Glyphosat?
7. Warum ist Glyphosat im Vergleich zu anderen Herbiziden harmloser?
8. Wieso ist im Schweizer Trinkwasser kein Glyphosat nachweisbar?
9. Wieso findet man in Schweizer Lebensmitteln Glyphosat?
10. Woher kommt die ganze Hysterie um Glyphosat?
11. Wieso widersprechen nationale Gesundheitsbehörden der internationalen Agentur für Krebsforschung IARC?
12. Wieso ist Glyphosat doch nicht ganz unbedenklich?
13. Wie gross wären die Ernteausfälle ohne Glyphosat?
14. Wieso gibt es keine Alternativen zu Glyphosat in der Schweizer Landwirtschaft?
15. Sollen die Schweizer Landwirte Glyphosat einfach weiterhin einsetzen?
Glyphosat ist ein Total-Herbizid und hindert sämtliche Pflanzen am Wachstum. Keine andere Substanz weist diese extrem breite Wirksamkeit auf.
Der Schweizer Chemiker Henri Martin vom Pharmaunternehmen Cilag in Schaffhausen hat Glyphosat 1950 erstmals synthetisiert. Die Wirksamkeit gegenüber Pflanzen erkannt er aber nicht und seine Entdeckung wurde weiterverkauft. Erst 1970 hat der Monsanto-Chemiker John Franz die Herbizidwirkung von Glyphosat entdeckt und den Grundstein für dessen Siegeszug gelegt.
Der US-Konzern Monsanto (heute Bayer AG) patentierte Glyphosat 1971 und brachte es 1974 auf den Markt. Das Patent des Monsanto-Produktes «Roundup» ist aber im Jahr 2000 ausgelaufen. Seither haben günstigere Generika den Hauptanteil am Glyphosat-Verkauf. Die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC listet weltweit 91 Erzeuger von Roundup-Generika auf, davon fast ein Drittel in China.
In der Hysterie um Glyphosat bleiben die Fakten oft auf der Strecke. «die grüne» beantwortet deshalb wissenschaftlich fundiert die 15 wichtigsten Fragen rund um Glyphosat («So haben wir zum Thema Glyphosat recherchiert» am Schluss dieses Beitrages).
Glyphosat wirkt auf Basis des kleinen Moleküls N-Phosphonomethylglycin. Dieses Molekül beeinflusst den sogenannten Shikimat-Weg: Es blockiert das Enzym 5-Enolpyruvylshikimat-3-Phosphat-Synthase (EPSPS).
Pflanzen benötigen das Enzym, um die Aminosäuren Tryptophan, Tyrosin und Phenylalanin zu produzieren. Wird dieser Prozess durch Glyphosat gehemmt, gehen sie ein. Die Substanz deaktiviert den für Pflanzen lebensnotwendigen biologischen Mechanismus.
Für Säugetiere und damit auch für den Menschen ist dies unproblematisch: Denn wird besitzen das Enzym EPSPS gar nicht und haben deshalb eine Glyphosat-Resistenz – Glyphosat kann bei uns Menschen nichts blockieren.
Dies im Unterschied zu Bakterien, Pilzen und Protozoen, deshalb könnten die antimikrobiellen Effekte von Glyphosat gegen die Malaria eingesetzt werden. Das Tropenfieber wird von Parasiten der Gattung Plasmodium hervorgerufen. 2010 erhielt Monsanto ein Patent, das Glyphosat zur Therapie von Malaria vorschlägt. Der Ansatz wurde aber nicht weiter verfolgt.
Glyphosat ist das am weitesten verbreitete Herbizid. Pro Jahr werden weltweit rund 800'000 Tonnen davon eingesetzt. Zu 90 Prozent in der Landwirtschaft – aber auch im Strassen- und Schienennetz, in der Industrie, im Gartenbau und in Privatgärten.
Der Glyphosat-Boom begann Mitte der 1990er-Jahre mit dem Aufkommen gentechnisch veränderter Nutzpflanzen (GVO), die gegen Glyphosat resistent sind. Besprüht man zum Beispiel ein GVO-Maisfeld mit Glyphosat, sterben alle unerwünschten Gewächse ab, während die Nutzpflanze unbeschadet bleibt. Deshalb wird Glyphosat weltweit zu 56 Prozent in GVO-Kulturen eingesetzt, vor allem GVO-Sojabohnen und GVO-Mais.
Die Aussaat gentechnisch veränderter Organismen ist in der Schweiz verboten. Die Anwendungsformen von Glyphosat sind deshalb fundamental andere als in Südamerika, den USA oder Kanada, was sich im relativ bescheidenen Verbrauch von Glyphosat niederschlägt:
Seit 2008 ist die Verkaufsmenge an Glyphosat in der Schweiz um 45 Prozent auf 186 Tonnen zurückgegangen. Das sind 15 Prozent aller eingesetzten Herbizide. Zum Vergleich: In Österreich sind es 240 Tonnen. Das sind 25 Prozent aller eingesetzten Herbizide.
In der Schweiz sind heute gemäss Bundesamt für Landwirtschaft BLW 46 Produkte mit dem Wirkstoff Glyphosat zugelassen, davon 18 Produkte auch für Privatanwender. Ausserdem gibt es 18 Produkte, die als sogenannte Parallel-Importe in der Schweiz zugelassen sind. Zum Vergleich: In Österreich sind 44 Glyphosat-Produkte zugelassen, davon 24 Produkte auch für Privatanwender.
Den Grossteil des Glyphosats verbraucht in der Schweiz die Landwirtschaft. Dennoch sind die behandelten Areale recht überschaubar: Im Nachbarland Österreich kommt Glyphosat auf 9 Prozent der Agrarfläche zum Einsatz. Für die Schweiz existieren dazu keine Zahlen, der Prozentsatz dürfte aber im gleichen Bereich liegen.
Die zurückgehende Verwendung von Glyphosat in der Schweiz ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
Das Bundesamt für Landwirtschaft kann keine mengenmässigen Angaben zu den behandelten Flächen machen. Glyphosat ist aber konkret für folgende Anwendungen zugelassen:
Eine in vielen Ländern übliche Methode ist dagegen in der Schweiz verboten: Bei der Sikkation (Austrocknung) oder Reifespritzung werden Nutzpflanzen kurz vor der Ernte mit Glyphosat behandelt. Das Absterben der Pflanzen erleichtert die Ernte. Zudem erhalten die Früchte durch das letzte Aufbäumen der Pflanze eine Art finalen Energieschub.
Alle diese Einschränkungen bedeuten: Nutzpflanzen, die der Nahrungs- oder Futtermittel-Herstellung dienen, kommen in der Schweiz mit Glyphosat gar nicht in Berührung.
Von Politikern und Umweltschutz-Organisationen hört man immer wieder die Forderung, die Schweizer Landwirte sollten auf Chemie verzichten und zur althergebrachten Form der Bewirtschaftung zurückkehren, also vor der Saat mit dem Pflug die Unkräuter beseitigen.
Dabei ist die mechanische Bearbeitung der Böden in der Schweiz ohnehin die dominierende Praxis: Auf schätzungsweise 90 Prozent der Landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Schweiz wird gar kein Glyphosat ausgebracht. Stattdessen beschränken sich die Landwirte auf konventionelle Methoden wie das Pflügen.
Nackte, umgepflügte Erde ist besonders anfällig für Erosion. Wind und Regen tragen den Boden ab oder schwemmen ihn aus. Dies mindert die Fruchtbarkeit und schmälert die Erträge weiter.
Der Klimawandel mit Extremen wie Trockenperioden und Starkregen verschärft das Problem – speziell in Hanglagen, wo heftiger Regen enorm viel Boden abschwemmen kann.
In solchen Gebieten gehen durch Erosion nach zwei bis drei Jahrzehnten 75 Prozent der Bodenfruchtbarkeit verloren, im Flachland sind es 30 Prozent.
In der Schweiz gelten gemäss Bundesamt für Landwirtschaft BLW rund 10 Prozent der Ackerfläche (274'000 ha offene Ackerfläche und Kunstwiesen) als mässig erosionsgefährdet. Weitere 10 Prozent gelten als stark erosionsgefährdet. Zu den Dauerkulturen (also 24'000 ha Reben/Obst) gibt es keine entsprechenden Zahlen.
Der Pflug ist aber auch weniger umweltfreundlich, weil die Traktoren Schadstoffe freisetzen: Bis zu 40 Liter Diesel pro Hektar werden beim Pflügen verbrannt.
Diese Nachteile haben sogenannte konservierende Massnahmen nicht. Mit ihnen lässt der Landwirt Grünbewuchs auf den Feldern zu, wenn keine Früchte gedeihen. Die Pflanzen samt ihren Wurzeln bilden eine schützende Decke. Diese fängt die Energie von Wind und Wetter ab, mindert Erosion und erhält die Humus-Schicht sowie den Mikrokosmos darin.
Vor der nächsten Saat muss das Grünzeug aber weg. Hier kommt Glyphosat ins Spiel: Mit dem Herbizid lässt sich die Gründecke entfernen, ohne die zuvor erzielten positiven Effekte wieder zunichte zu machen.
Im besten Fall kann ohne mechanische Eingriffe gesät werden – als Direktsaat. Zumindest aber kann mit der chemischen Unkraut-Entfernung der Einsatz des Pfluges oder anderer mechanischer Geräte reduziert werden.
Einst benutzte der Mensch Arsen, Quecksilber, Blei und Kupfer, um Nutzpflanzen zu schützen. Alle zusammen hochgiftige Stoffe. Im frühen 20. Jahrhundert war man stolz auf die Erfindung von Chlor-Verbindungen wie DDT und Lindan – die ebenfalls hochgiftig sind. Es folgten Organo-Phosphate, die in dieselbe Kategorie fallen wie das Nervengas Sarin.
Ein frühes Herbizid ist 2,4-D, das seit 1945 auf dem Markt ist. Es gilt seit 30 Jahren als womöglich krebserregend. Im Gegensatz zu Glyphosat gab es nie eine Debatte um den noch heute zugelassenen Stoff – vermutlich, weil er es nie in die öffentliche Wahrnehmung schaffte.
Heute sind rund 500 Herbizide verfügbar. Lange Zeit galt Glyphosat als das beste unter ihnen – aufgrund der breiten Wirksamkeit wie auch in Bezug auf die Verträglichkeit. Weil es (wie in Frage 1 beschrieben) bei Säugetieren und beim Menschen seine Effekte mangels biologischer Andock-Station nicht entfalten kann und die Folgen für die Umwelt vergleichsweise moderat sind.
Glyphosat wird im Boden mit einer Halbwertszeit von 2 bis 68 Tagen abgebaut, je nach Temperatur und Bodenbeschaffenheit. Dabei entsteht das Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA). Beide Substanzen binden stark an Mineralteilchen im Boden, was das Eindringen in tiefere Schichten verhindert.
Der Höchstwert von Glyphosat in Trinkwasser beträgt in der Schweiz – wie für alle Pestizide – 0,1 Mikrogramm pro Liter.
Bei sehr aufwendigen Grundwasserproben konnte 2005 und 2006 an 117 Messstellen in der ganzen Schweiz gemäss dem BLW «nirgends Glyphosat nachgewiesen» werden. Nachgewiesen wurde nur der als nicht relevant eingestufte Metabolit AMPA an 10 von den 117 Messstellen, wobei die höchste gemessene Konzentration 0,219 Mikrogramm pro Liter betrug.
Ganz aktuelle Daten der Grundwasser-Messprogramme bis 2014 und eine Glyphosat-Pilotstudie aus den Jahren 2016 und 2017 werden demnächst vom Bundesamt für Umwelt BAFU publiziert.
In Lebensmitteln liegt in der Schweiz die maximale Erlaubte Tagesdosis (ETD) von Glyphosat bei 0,5 Milligramm pro Kilo Körpergewicht. Für einen 60 Kilo schweren Erwachsenen also bei 30 Milligramm.
2016 untersuchte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV 243 Proben von gezielt ausgesuchten Lebensmitteln. Im Unterschied zu den Studien im Ausland wurden also nicht Lebensmittel «querbeet» durch den Supermarkt analysiert – sondern nur jene, bei denen explizit Glyphosat-Rückstände erwartet wurden.
Für die Glyphosat-Studie des BLV wurde auch eine neue, extrem sensitive analytische Methode angewendet, mit der zehnfach tiefere Rückstands-Konzentrationen von Glyphosat in Lebensmitteln bestimmt werden können als in den bisherigen ausländischen Studien.
Aus diesen zwei Gründen hat die Schweizer Untersuchung gemäss dem BLV auch einen höheren Anteil von Rückstands-Nachweisen im Vergleich zu Studien im Ausland.
Konkret wurden in 40 Prozent der beprobten Lebensmittel Glyphosat-Rückstände nachgewiesen. Die Konzentrationen «liegen aber immer weit unter den geltenden Höchstwerten und sind gesundheitlich unbedenklich», betont das BLV.
Zu den am stärksten belasteten Produkten gehören Hartweizen-Teigwaren, Brot und ausländischer Wein. Diese Lebensmittel (respektive deren Rohstoffe) werden zu 100 Prozent aus dem Ausland importiert.
Das BLV relativiert aber auch diese Testergebnisse: «Ein 60 Kilo schwerer Erwachsener müsste aber täglich 72 Kilo Teigwaren respektive 655 Kilo Brot essen oder täglich 1600 Liter Wein trinken, bis gesundheitsschädigende Folgen durch Glyphosat-Rückstände eintreten könnten.»
Unabhängig vom BLV untersuchte 2016 auch der Waadtländer Landwirtschaftsverband Prométerre 100 Lebensmittel-Proben auf Glyphosat-Rückstände.
Mit weniger sensitiven analytischen Methoden als beim BLV wurden in keinem Schweizer Produkt Glyphosat-Rückstände festgestellt. Hingegen wurden bei über 60 Prozent der in Frankreich gekauften Bäckerei-Waren deutlich erhöhte Glyphosat-Rückstände festgestellt. Auch bei diesen wurden aber die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschritten.
Diese beiden Schweizer Untersuchungen zeigen: Die Analyse-Methoden sind so extrem verfeinert worden, dass sogar Spuren im Milliardstel-Gramm-Bereich auffindbar sind. Glyphosat-Spuren, die erst mit der allerneuesten (vom BLV eingesetzten) Methode überhaupt nachweisbar sind.
Unsere Lebensmittel werden also nicht «giftiger» – nur die Nachweisverfahren sind sensibler. Schon bald wird jede beliebige Substanz an jedem Ort der Welt nachweisbar sein.
Die ganze Aufregung um Glyphosat begann 2015. Damals veröffentlichte die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO ihre Einschätzung zu Glyphosat: Die Substanz sei «wahrscheinlich krebserregend».
Die IARC definiert fünf Stufen von Krebsgefahr:
Natürlich wird man nicht gleich krank, weil man eine Wurst isst. Das behauptet die IARC auch nicht. Sie bewertet nur das Potenzial einer Substanz, theoretisch Krebs zu erzeugen und nicht das Risiko, dass es bei üblichem Gebrauch tatsächlich geschieht.
Zu Glyphosat existieren über 800 Studien. Die Chemikalie ist damit das mit Abstand am besten untersuchte Pestizid aller Zeiten. Es gibt Langzeit-Beobachtungen an Menschen, Labortests an Zellen, Studien vor allem an Mäusen und Ratten.
Die Versuchstiere erhielten in einigen Studien teils absurd hohe Dosen über Jahre – die tausendfache Dosis –, um chronische Folgen zu ermitteln. Dazu untersuchten Forscher Blut, Organe, Gewebe, Knochen, Erbgut und die Gesundheit ihrer Nachkommen.
Job der nationalen Gesundheitsbehörden ist es, aus diesem Daten-Wust eine plausible Gesamtschau anzufertigen. Eine Gesamtschau, welche die Studien je nach Qualität und Aussagekraft gewichtet und ein Fazit zieht.
Das bedeutet, dass nicht einzelne Studien das Endergebnis beeinflussen. Daher ist es nur auf den ersten Blick irritierend, wenn Kritiker einzelne Studien herauspicken, die eine Krebsgefahr fanden. Einzelne Glyphosat-kritische Studien ändern nichts an der Gesamtbewertung:
Zum Vergleich: Als Erlaubte Tagesdosis (ETD) gelten 0,5 Milligramm pro Kilo Körpergewicht. Für die ETD testet man, bei welchen Dosen im Tierversuch keinerlei toxische Effekte auftreten. Dann nimmt man den allerniedrigsten dieser Werte und dividiert ihn nochmals durch 100. Man gibt also einen Sicherheitsfaktor von 100 dazu auf einen Wert, bei dem nie Schäden auftreten.
Das bedeutet zugleich: Wenn beim Glyphosat von Grenzwert-Überschreitungen die Rede ist, geht es um einen Wert jenseits des Sicherheits-Puffers von 0,5 Milligramm – eine Gesundheitsgefahr ist da in weiter Ferne.
All dies bedeutet nicht, dass Glyphosat auf ewig freigesprochen ist. Wissenschaft ist eine Momentaufnahme. Und im Moment liegt keine Evidenz vor, dass das Herbizid Krebs verursacht.
Das kann sich in Zukunft ändern. «Hundertprozentige Sicherheit kann es nie geben», sagt Siegrid Steinkellner von der Universität für Bodenkultur in Wien, welche die «Nationale Machbarkeitsstudie zum Ausstieg von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln» verfasst hat. «Hundertprozentige Sicherheit gibt es weder für diesen Wirkstoff noch für sonst eine Substanz oder einen Einflussfaktor im Leben.»
Die Europäische Chemikalienagentur ECHA stuft Glyphosat als augenschädigend und bei Dauerreizung ätzend für die Schleimhäute ein.
Das liege nicht am biologischen Wirkmechanismus selbst, der ja bei Säugetieren nicht greift, sagt Albert Bergmann, Leiter des Institutes für Pflanzenschutzmittel bei der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES: «Es handelt sich um eine parallel dazu bestehende Eigenschaft.»
Von den Effekten sind Vögel und Säuger betroffen, aber nicht Regenwürmer, Bienen und Insekten.
Glyphosat kann aber indirekt die Artenvielfalt beeinflussen und zum Insektensterben beitragen, weil durch Unkrautvernichtung die Lebensräume schrumpfen. Das erfolgt aber durch alle Methoden der Unkrautbeseitigung, auch durch das Pflügen. Und andere Herbizide sind in dieser Hinsicht bedenklicher, weil sie Insekten direkt schädigen.
Noch näher zu untersuchen sind Einflüsse auf Mikroorganismen – nicht nur im Boden, sondern auch auf die Darmflora von Tieren. So kam der Verdacht auf, dass Krankheits- und Todesfälle von Kühen in Deutschland indirekt auf Glyphosat zurückzuführen sein könnten.
Über importierte Futtermittel, die von Glyphosat-resistenten Pflanzen oder mit dem Herbizid behandelten Feldern stammen, könnte das mikrobielle Gleichgewicht im Darm der Kühe gestört worden sein. Weil günstige Bakterien oft empfindlicher auf Glyphosat reagieren als bedenkliche wie Clostridien, könnte dies zu vermehrtem Wachstum pathogener Keime beigetragen haben.
Dass Nutztiere mit Glyphosat belastet sein können, ist erwiesen: Sowohl im Urin als auch in Organen wurden Rückstände gefunden. Deutschen Forschern gelang es 2016 aber selbst mit hohen Glyphosat-Dosen nicht, signifikante Veränderungen der Mikroben-Welt zu erzielen. Weil solche aber theoretisch plausibel sind, werden Störungen der Mikroorganismen weiter erforscht.
Die Ertragsverluste bei einem PSM-Verzicht liegen in unseren gemässigten Breiten bei den wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen wie Zuckerrübe, Kartoffel, Gerste, Mais oder Weizen zwischen 50 und 80 Prozent (gemäss Oerke und Dehne 2004).[IMG 10]
Es existieren derzeit keine gleichwertigen Möglichkeiten der Unkrautbekämpfung – jedenfalls nicht in der Landwirtschaft. Eisenbahngesellschaften und Gemeinden stehen aber Methoden wie Heisswasser, Heissschaum, Dampf oder thermische Verfahren wie das Abflammen zur Verfügung.
In der Landwirtschaft kommen diese Techniken kaum infrage. Auf Beton kann man Unkraut abbrennen, unter Weinstöcken oder auf trockenen Feldern wäre dies aber viel zu gefährlich.
Landwirten bleiben heute zwei Ersatz-Möglichkeiten: Sie können auf mechanische Eliminierung von Unkräutern umschwenken – was aber je nach geografischer Lage die Erosion begünstigen kann.
Oder die Landwirte können auf andere Substanzen ausweichen: Harnstoff-Derivate, Biscarbamate, Diphenylether, Proprionsäure-Derivate und Wuchsstoff-Herbizide wie das toxische 2,4-D. Das sind aber alles selektive Herbizide: Nicht ein Produkt allein kann sämtliche Unkräuter bezwingen, vielmehr müssen verschiedene kombiniert werden, um das Unkrautspektrum abzudecken. Das würde bedeuten, dass die Landwirte mehr Chemie einsetzen müssten als bisher.
Wie dieser Cocktail in der Natur wirkt, ist unklar. Zwar seien die Effekte der einzelnen Stoffe bekannt, so AGES-Toxikologe Bergmann. «Aber über die Mischungen fehlen umfangreiche Untersuchungen.»
Mit dem Bann von Glyphosat würde der vermeintliche Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Es gibt zwar auch «Bioherbizide»: Organische Säuren wie Pelargon-, Caryl- und Caprin-Säure. Sie zeigen gute Erfolge bei jungen Unkräutern, älteren Pflanzen können sie aber wenig anhaben.
Da Glyphosat effizient, breit wirksam und kostengünstig ist, würden bei einem Wechsel zu Alternativen die Kosten steigen und zugleich die Ernten sinken. Berechnungen gehen von Produktions-Rückgängen von 4 bis 7 Prozent sowie Mehrkosten von bis zu 20 Prozent aus – aufgrund öfterer Behandlung der Felder sowie steigender Ausgaben für Maschinen und Personal.
Ein abruptes Verbot von Glyphosat – wie es zum Beispiel in unserem Nachbarland Österreich diskutiert wird – hiesse also:
Die Folge wären vermutlich steigende Importe billigerer Güter – auch aus Ländern, deren Politikern der Einsatz toxischer Substanzen nicht den Schlaf raubt.
Das Eigenschaftsprofil von Glyphosat mag im Vergleich zu anderen Substanzen günstig sein – besser wäre es aber, wenn es noch verträglicheren Ersatz gäbe.
Möglicherweise haben ätherische Öle wie Raps-, Sonnenblumen-, Pinien- oder Nelken-Öl dieses Potenzial. Erfahrungen aus den USA zeigen, dass solche Produkte in hoher Konzentration herbizide Wirkung entfalten.
Grosse Hoffnung wird auch in Precision Farming oder Smart Farming gesetzt. Mit GPS, Video, Sensoren und anderen Geräten ausgerüstete Fahrzeuge erkennen Unkräuter und bekämpfen gezielt nur diese – entweder mit Herbiziden oder mit mechanischen Mitteln. Ein breitflächiger Einsatz von Chemie nach dem Giesskannen-Prinzip lässt sich damit heute schon vermeiden.
Der österreichische Wissenschafts-Journalist Alwin Schönberger hat zahlreiche Studien gesichtet. Darunter die «Nationale Machbarkeitsstudie zum Ausstieg von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln» der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).
Alwin Schönberger ist mehrfach ausgezeichneter Wissenschafts-Journalist und Autor populär-wissenschaftlicher Sachbücher. Er ist zudem Leiter des Wissenschafts-Ressorts vom österreichischen Nachrichten-Magazin «profil».
In der von Schönberger ausgewerteten Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg fassen 25 Wissenschaftler dreier BOKU-Institute, des BOKU-Departementes (WISO) und der österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) die gesamten heute verfügbaren Daten zusammen:
Ergänzend zu den Recherchen von Alwin Schönberger hat «die grüne»-Chefredaktor Jürg Vollmer die Zahlen und Fakten für die Schweiz recherchiert. Seine Quellen sind u.a.:
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